Freitag, 14. Juni 2013

Sentimentalität

Über die Liebe zu schreiben, setzt immer schon den Mangel an Liebe voraus. Denn unweigerlich muss man sich fragen, wie das, was man schreibt, wirkt. Solange ich mir diese Frage stellen, kann ich den Menschen, dem ich schreibe, nicht lieben. Die ruhig abwägende, nach idealem Ausdruck verlangende Ambition zerstört jedes Gefühl. Sentimentalität bedeutet, dass man nach Worten sucht, um ein Gefühl auszudrücken. Dieses Suchen ist möglich, weil sich das Gefühl nicht spontan und ungezwungen in Worte gießen darf. Immer muss es zunächst den Kontrollposten der sprachlichen Selbstzensur passieren, was oft mit vielen Schikanen verbunden ist. Dadurch verliert es seine Unmittelbarkeit und Wahrheit. Weil wir nicht lieben können, legen wir so viel Wert auf die Sprache. Mit ihrer Hilfe vermögen wir den Eindruck zu erwecken, wir würden aus ganzem Herzen lieben, obwohl wir innerlich schon lange tot sind und jedes Wort peinlich genau abgewogen haben. 

Sobald man merkt, dass man nach den richtigen Worten suchen muss, darf man sich sicher sein, dass man sie nicht finden wird. Man fühlt dann nichts. Wie schön die Worte auch sein mögen, die uns dann über die Lippen gehen, sie werden falsch und leer sein. Sie sind eben nur schön. Dass wir tatsächlich etwas fühlen, ist selten. Vielleicht sollten wir uns das einfach eingestehen und andere nicht verurteilen, weil sie "gefühllos" sind. Wir sagen so vieles, das unserem Gefühl widerspricht, nur um andere nicht zu verletzen und uns selbst zu beruhigen. Wir sind unaufrichtig, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass die Gefühllosigkeit, die wir an anderen tadeln, unsere eigene ist. Ja, es ist wirklich so schlimm um uns bestellt. Aber sollten wir uns deshalb gleich aufhängen?

1 Kommentar:

  1. Ich hoffe ganz inständig, dass sich niemand deswegen aufhängen wird. Wenn das mit den Gefühlen so einfach wäre, gäbe es nicht so viel Leid und Schmerz auf der Welt.

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