Mittwoch, 13. November 2013

Selbsterkenntnis

Ich denke nicht, dass sich Selbsterkenntnis im Nachdenken erschöpfen kann. Wenn wir über uns nachdenken, dann objektivieren wir uns, wir machen uns zu den Objekten unserer Reflexionen. Doch ist das überhaupt möglich? Wenn wir versuchen, uns zu erkennen, sind wir Erkennende und Erkanntes in einem. Einerseits sind wir lebendig, unergründlich und von tausenden Widersprüchen durchzuckt, auf der anderen Seite trachten wir danach, bis auf den unbewegten Grund unserer Seelen zu schauen. Kann das funktionieren? Über sich selbst nachzudenken, heißt auch, still zu halten, es ist so, als wären wir beim Fotografen, der uns sagt, dass wir lächeln sollten. Es ist nicht echt. Wir erleben uns nie so, wie wir sind, sondern so, wie wir uns erleben, sofern wir uns reflexiv mit uns befassen. Mit anderen Worten: Wie wir in natura sind, werden wir niemals erfahren, zumindest nicht, solange wir nur unsere Gedanken auf die Reise schicken. Das Nachdenken hat es immer nur mit etwas Künstlichem und Verstelltem zu tun. Als Denkende vermögen wir immer nur einen matten Schimmer des Lebens zu erfassen, den gebrochenen Rest und Schatten einer Erfahrung, die aus der Ferne her nur noch als Erinnertes zu uns dringt. Darum gehört das Gefühl, nicht zu leben, zu den eigentümlichen Erfahrungen des Menschen, der es wagt, über sich nachzudenken. Selbsterkenntnis kann aber nicht bedeuten, aus sich einen Toten zu machen, im Gegenteil. Wir wissen oft gar nicht, auf wie vielfältige Weise wir lebendig sein könnten. 

Donnerstag, 7. November 2013

Verantwortung

Jemand anderem die Schuld zu geben, heißt immer auch, dass man Verantwortung für sein eigenes Leben abgibt. Gern wird auf die Wirtschaftshaie und die korrupten Politiker geschimpft, um endlich mal Luft abzulassen. An jeder Straßenecke kann man Menschen treffen, die nur darauf warten, einem zu erklären, warum "die da oben" so niederträchtige Menschen seien. Und natürlich wissen sie selbst allesamt besser, was zu tun sei. Auch die systemimmanenten Zwänge der kapitalistischen Wirtschaftsform werden mit Vorliebe herbeizitiert, um zu beweisen, warum echtes menschliches Glück in dieser Gesellschaft nicht möglich sei. Andere verlegen das Übel aller Probleme kurzerhand in die menschliche Natur selbst. Der Mensch sei nun einmal gierig und egoistisch und überhaupt ein Missgriff der Schöpfung. So leicht kann man es sich machen. Die einen denken, dass ein anders Leben möglich wäre, glauben aber selbst nicht daran, die anderen meinen, so wie es ist, war es schon immer und wird es immer sein. In der Konsequenz sagen sie dasselbe.

Ich finde es gut, wenn sich Menschen für etwas engagieren. Damit geben sie ihren Worten Wahrheit. Sie sind bereit, Zeit und Schweiß für etwas zu investieren, woran sie glauben. Das ist etwas Großes und Schönes. Anders verhält es sich mit der großen Mehrheit, die sich darauf beschränkt, beleidigt zu sein, ohne etwas zu tun. Diese Menschen haben nicht das Recht, gehört zu werden. Menschen, die irgendeiner Vergangenheit nachtrauern oder selbst nicht daran glauben, dass sich etwas verändern könnte, sollte man keinerlei Aufmerksamkeit schenken. Im Grunde führen sie eine gespenstische Existenz. Sie leben gar nicht. Da sie die Verantwortung für ihr eigenes Leben nicht im vollen Umfang übernehmen, sind sie nur in reduzierter Weise existent. Ja, sie würden gerne ein gutes Leben führen, aber aufgrund irgendwelcher Gründe sei es ihnen nun einmal nicht möglich. Immer ist irgendetwas, das sie daran hindert, sie selbst zu sein. Einige geben ihrer biographischen Vergangenheit die Schuld daran, dass sie niemals eine Chance haben werden, andere führen sich aufgrund ihres sozialen Milieus benachteiligt, wieder andere machen die böse intolerante Gesellschaft für ihre Unfähigkeit verantwortlich, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Sie trauen sich nur zu, ihre Eigenart zu leben, wenn diese gesellschaftlich goutiert wird. Mit anderen Worten: Sie wollen nur etwas, das sie allen recht machen können.

Jeder Mensch sollte sich fragen, ob er jemand sein möchte, der wie ein großes Kind von dem perfekten Paradies auf Erden träumt und laut aufschreit, wenn mal etwas nicht gut läuft. Ich nicht. Von den Muckern kann ich nichts lernen, wirklich gar nichts. Ich mag Menschen, die andere inspirieren, die etwas leisten und kreieren, Menschen, die sich ihre Leben von Rückschlägen nicht madig machen lassen, sondern es anpacken in dem Bewusstsein, dass es einmalig ist. Ihnen fühle ich mich verwandt. Ich habe keine Zeit, mir über Dinge Gedanken zu machen, die ich nicht aktiv gestalten und verändern kann!