Dienstag, 2. Juli 2013

Sei nicht du selbst!

Viele Menschen werden ihr ganzes Leben lang von dem Gefühl geplagt, immer irgendetwas falsch zu machen. Und zwar aus Gründen, die ihnen selbst nicht durchsichtig sind. Sie verstehen nicht, warum sie immer auf der Seite derer stehen, die sich rechtfertigen müssen. Worum es auch geht, sie ahnen schon vorher, dass sie sich einmal mehr werden erklären müssen. Warum etwas, womit sonst niemand Probleme zu haben scheint, ihnen nicht oder nur schwer möglich ist. Es ist alles andere als aufmunternd, wenn man einem stillen Kind sagt, dass es aus sich herausgehen solle. Denn so lernt es schon früh, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt. Wenn es nämlich wirklich introvertiert und also nicht bloß aufgrund einer vorübergehenden Traurigkeit still ist, dann wird es niemals aus sich herausgehen können. Das würde es als belastend und unnatürlich empfinden, so wie die unsensiblen Erwachsenen, die es mit gut gemeinten und schlecht getanen Ratschlägen überhäufen, sein Verhalten als belastend und unnatürlich empfinden. Diese Kind läuft also Gefahr, für alle Zeiten in einem Kreis von Erwartungen zu laufen, die es nicht erfüllen kann, ohne dem eigenen Wesen Gewalt anzutun. Was es wirklich will, ist nicht dieses ominöse Aus-sich-Herausgehen, sondern jemanden, der es ernstnimmt. Der ihm keine neuen Selbstzweifel einpflanzt. Wenn dieses Kind ein introvertierter Mensch ist, dann ist jedes freundliche Wort, das etwas aus ihm herauskitzeln will, das in ihm nicht angelegt ist, eine tendenzielle Beleidigung. Denn es besagt Folgendes: Sei nicht du selbst! So wie du bist, bist du eine Zumutung!

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