Dienstag, 23. Juli 2013

Altherrenpsychologie

Wenn sich Psychologen als Autoren versuchen, dann liest sich das oft so, als ob sie über einen Feind schrieben. Als Betroffener muss man sich geradezu schuldig fühlen, wenn man einen Blick in ihre Bücher wirft. Viele Psychologen meinen, moralische oder gesellschaftspolitische Statements abgeben zu müssen. Gerne spielen sie sich als einsame Warner auf, die eine Wahrheit verkünden, die nur allzu gern überhört wird. Sie wollen wirken und gehört werden. Also immer schön verallgemeinern und monokausal erklären, damit es auch der Dümmste versteht! Immer feste druff! Warum individualpsychologische Erkenntnisse nicht gleich auf ganze Gesellschaften übertragen? Wozu denn methodische Bedenken? Den Infantilismus könne man nur überwinden, wenn man selbst eine Familie gründe, schreibt etwa Flöttmann. Wer sich dem verweigere, könne niemals wahrhaft erwachsen werden. Damit schwingt sich Flöttmann zu jemandem auf, der anderen unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Psychologie zu verstehen gibt, wie sie zu leben haben. Er ist konservativ orientiert. Maaz, der im Gegensatz zu Flöttmann keine infantile, sondern eine narzisstische Gesellschaft meint diagnostizieren zu müssen, entdeckt hinter jeder hervorragenden Leistung in Sport, Kunst oder Wissenschaft das letztlich zum Scheitern verurteilte Bemühen eines Menschen, seine innere Leere zu überspielen. Daraus zieht Maaz den Schluss, dass es besser sei, zugunsten des menschlichen Glücks auf solche Leistungen zu verzichten. Leider kommt er mit diesem Gedanken viel zu spät. Wäre er schon früher gehört worden, hätte sich vielleicht nie eine Psychologie moderner Prägung herausgebildet. Und damit wäre uns diese ungewollt komische Altherrenpsychologie erspart geblieben.

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